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Umsatzsteuerfreiheit von Fertigarzneimitteln mehr...
Die umsatzsteuerliche Beurteilung von Fertigarzneimitteln an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses ist immer wieder Gegenstand aktueller Rechtsprechung. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich dazu neu positioniert und ein Schreiben veröffentlicht.
Nach seiner bisherigen Auffassung handelte es sich bei der Abgabe von nicht patientenindividuell hergestellten Medikamenten (sogenannte Fertigarzneimittel) durch ermächtigte Krankenhausambulanzen oder durch eine Krankenhausapotheke im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus um umsatzsteuerpflichtige Umsätze. Das BMF passt sich nun der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs an und ordnet die Abgabe von Fertigarzneimittel einer umsatzsteuerfreien Heilbehandlungsleistung zu. Voraussetzung ist, dass es sich um einen integralen Therapiebestandteil handelt, der zur Erreichung der therapeutischen Ziele unentbehrlich ist. Dabei ist die ärztliche Entscheidung über die Notwendigkeit der Behandlung ausschlaggebend. Die Abgabe von Fertigarzneimitteln kann auch eine selbständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Heilbehandlung sein, wenn diese für die Heilbehandlung unerlässlich ist (z.B. schmerzstillende oder entzündungshemmende Medikamente).
Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn Umsätze, die vor dem 01.01.2023 ausgeführt wurden, umsatzsteuerpflichtig behandelt worden sind. Bei der Rechnungserstellung ist ab sofort zu beachten, dass die Abrechnung der Fertigarzneimittel ohne Umsatzsteuerausweis und mit dem Hinweis auf Umsatzsteuerfreiheit zu erfolgen hat. Andernfalls ist die ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen.
Zu berücksichtigen ist auch, dass mit der Umsatzsteuerfreiheit das Recht auf Vorsteuerabzug aus den damit verbundenen Aufwendungen entfällt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sollte zudem der fehlende Vorsteuerabzug bei der Preisgestaltung kalkuliert werden (z.B. bei der Abrechnung für Privatpatienten). Auch der jeweils geltende Krankenhausapothekenvertrag sollte dahingehend geprüft werden, ob er bereits Regelungen zur Kompensation des wegfallenden Vorsteuerabzugs in Form von Zuschlägen enthält.
Hinweis: Wir empfehlen Ihnen, die Umstellung so schnell wie möglich mit den Abrechnungsdienstleistern zu klären. Hinsichtlich Veranlagung, Rechnungsberichtigung und dem weiteren Vorgehen gegenüber den Krankenkassen sollten Sie sich mit Ihrem steuerlichen und rechtlichen Berater unbedingt abstimmen.
Facharzt bei 24-Stunden-Diensten mehr...
Wenn sich bei Krankenhauspersonal regulärer Dienst und Rufbereitschaft lückenlos abwechseln, liegt ein mehrtägiger ununterbrochener Arbeitseinsatz vor. Dieser ist als Einheit zu behandeln. Ob ein sogenannter Nichtrückkehrtag vorliegt, richtet sich ausschließlich nach der Rückkehr oder Nichtrückkehr am Ende des mehrtägigen Arbeitseinsatzes. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.
Im Urteilsfall ging es um einen Arzt, der im Streitjahr 2014 in Deutschland wohnte und neben seiner inländischen Tätigkeit als Honorararzt einer Klinik dreimal (für vier, acht bzw. 22 Tage) als Vertreter eines Facharztes in einer Schweizer Klinik tätig war. Strittig war, ob für den Arzt die Grenzgängerregelung anzuwenden ist.
Das Finanzamt bejahte dies und unterwarf die Einkünfte aus der nichtselbständigen schweizerischen Tätigkeit nach dieser Regelung der deutschen Einkommensteuer. Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren gerichtete Klage statt und unterwarf die Einkünfte lediglich dem Progressionsvorbehalt. Nach Ansicht des FG sei aufgrund der großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort (207 km) eine regelmäßige Rückkehr zum Wohnort unzumutbar; es verneinte den Status als Grenzgänger.
Der BFH sah dies anders und hob das Urteil auf. Das FG habe die in der Schweiz erzielten Einkünfte zu Unrecht von der inländischen Besteuerung freigestellt. Der Arzt ist als Grenzgänger gemäß Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) einzustufen. Danach ist die Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort unerheblich. Relevant für die DBA-Regelung sei die regelmäßige Rückkehr an den Wohnort und unter welchen Voraussetzungen (für den Grenzgängerbegriff schädliche) Nichtrückkehrtage vorliegen. Zudem habe das FG die einzelnen Tage der Tätigkeit in der Schweiz getrennt betrachtet. Dadurch wurde die zulässige Anzahl der Nichtrückkehrtrage überschritten. Im Streitfall liegt jedoch ein ununterbrochener Arbeitseinsatz (24-Stunden-Dienst) vor. Der jeweilige mehrtägige Arbeitseinsatz ist als Einheit zu betrachten. Für die Zahl der schädlichen Nichtrückkehrtage kommt es allein auf die Rückkehr oder die Nichtrückkehr am Ende des mehrtägigen Arbeitseinsatzes an. Damit ist sogar der sich über insgesamt 22 Tage dauernde Arbeitseinsatz als eine Einheit zu sehen. Der Arzt ist jeweils am Ende seiner drei Arbeitseinsätze zum Wohnort zurückgekehrt. Es liegt somit kein einziger Nichtrückkehrtag vor.
Hinweis: Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, ist die in der Schweiz erhobene Quellensteuer auf die inländische Einkommensteuer anzurechnen.
Chefarzt verzichtet gegenüber dem Klinikträger auf Privatliquidation mehr...
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte jüngst über die Frage der steuerlichen Behandlung eines Verzichts auf das Recht zur Privatliquidation gegen monatliche Ausgleichszahlungen zu entscheiden. Nach dessen Ansicht liegt in einer Verzichtserklärung, die ein Chefarzt gegenüber einem Klinikträger ausspricht, eine steuerbare und -pflichtige Leistung vor. Das Finanzgericht Schleswig-Holstein (FG) hatte zuvor anders geurteilt. Nach Revision des Finanzamtes hob jedoch der BFH das Urteil auf.
Im Streitfall war ein Medizinprofessor an einer Universität als Direktor und Chefarzt einer Klinik tätig. Eine beamtenrechtliche Nebentätigkeitserlaubnis gestattete es ihm, Patienten privat zu behandeln und diese Leistungen zu liquidieren. Dieses Recht stand ihm bis zum Ausscheiden aus dem Dienst zu. Er traf mit der Universität und dem Klinikträger eine Vereinbarung, nach der er zukünftig ausschließlich in einer universitären Forschungseinrichtung wissenschaftlich tätig werde. Gleichzeitig verzichtete er auf die Klinikleitung und das damit verbundene Liquidationsrecht zugunsten des Klinikträgers. Für den Verzicht auf die Privatliquidation erhielt er vom Klinikträger einen finanziellen Ausgleich, der ihm bis zum Ruhestand monatlich zu zahlen war.
Er behandelte die Zahlungen als nicht steuerbare Entschädigungen für den Wegfall seiner Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit. Das Finanzamt sah hier jedoch umsatzsteuerbare und -pflichtige Leistungen. Die Klage vor dem FG hatte zunächst Erfolg. Der Verzicht auf das Recht zur Privatliquidation sei als Abfindung im Rahmen seiner beamtenrechtlichen Stellung zu qualifizieren. Zudem stehe die Verzichtsleistung im Zusammenhang mit steuerfreien Heilbehandlungsleistungen.
Dagegen legte das Finanzamt Revision ein und war erfolgreich. Entgegen der Auffassung des FG erbrachte der Chefarzt eine sonstige Leistung durch Unterlassen, indem er auf das Liquidationsrecht verzichtete, so die Bundesrichter. Dieser Verzicht erfolgte als Unternehmer und war nicht in erster Linie beamtenrechtlich veranlasst. Zwischen der Verzichtsleistung und den Ausgleichszahlungen liegt der für die Steuerbarkeit erforderliche unmittelbare Zusammenhang vor. Zudem ist die Leistung steuerpflichtig.
Hinweis: Grundsätzlich ist der Verzicht auf eine steuerbefreite Handlung ebenfalls steuerbefreit. Dies ist bei einem Zweipersonenverhältnis (Leistender und Leistungsempfänger) charakteristisch. Im vorliegenden Dreipersonenverhältnis (Klinikträger, Chefarzt, Patient) erbringt der Chefarzt zwar umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen gegenüber seinen Patienten. Der Verzicht auf das Liquidationsrecht erfolgt jedoch gegenüber dem Klinikträger, der dafür die Abfindung zahlt. Das Verhältnis zum Patienten ist nur mittelbar betroffen.
Hier finden Sie Erklärvideos zu Steuerfragen, die praktisch in jeder Arztpraxis auftauchen. Die Videos zeigen Ihnen kurz und verständlich, wie Sie Steueroptimierungen nutzen und Fallen vermeiden.
Umfassende Informationen und Empfehlungen zu Steuerthemen für Ärzte finden Sie in unseren Merkblättern. Sie können sich die Merkblätter direkt am Bildschirm ansehen oder sie ausdrucken.
Wann alternative Therapien bei der Krebsbehandlung zu erstatten sind mehr...
Krebserkrankungen sind für die Betroffenen meist mit verschiedenen Behandlungen und langen Therapien verbunden. Manchmal stehen auch alternative Behandlungsmethoden, die wissenschaftlich fundiert sind, als Option im Raum. Ob diese von der Krankenkasse übernommen werden müssen, darüber entschied jüngst das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).
Im zugrundeliegenden Fall wurde der Krebspatient im Rahmen seiner Krebserkrankung mit einer Chemotherapie behandelt. Nachdem diese keine Wirkung erzielte und weitere Metastasen auftauchten, die nicht operiert werden konnten, ließ er sich mit einer palliativen Immuntherapie in Form eines Impfstoffs behandeln. Seine private Krankenversicherung übernahm die hierfür anfallenden Kosten nur zur Hälfte. Nach dem Tod des Mannes klagte seine Ehefrau auf Übernahme der gesamten Kosten.
Das OLG gab der Klage der Ehefrau statt. Ein Sachverständiger erläuterte, dass die Zelltherapie auf die Zerstörung von Tumorzellen ausgerichtet sei, es handele sich dabei also um eine Heilbehandlung. Bei lebenszerstörenden Erkrankungen wie einer Krebserkrankung müsse eine Krankenversicherung auch Alternativtherapien übernehmen - jedenfalls soweit sie wissenschaftlich fundiert seien. Es müsse dabei eine reelle Aussicht darauf bestehen, dass ein wissenschaftlich fundierter Ansatz verfolgt werde und die Therapie einen Erfolg erziele. Die Zelltherapie ziele darauf ab, die Symptome der Krebserkrankung zu lindern und den Gesundheitszustand zu stabilisieren. Somit seien die damit verbundenen palliativmedizinischen Therapiekosten als notwendig anzusehen.
Hinweis: Es reicht aus, wenn es zum Zeitpunkt der Behandlung als wahrscheinlich angesehen werden kann, dass durch die Behandlung eine Verschlimmerung der Erkrankung verhindert oder deren Verlauf zumindest verlangsamt wird.
Wann können Ausfallpauschalen für entfallene Arzttermine zulässig sein? mehr...
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Fall über die Zulässigkeit von Ausfallpauschalen zwischen Arzt und Patient entscheiden und dabei deren Ausgestaltung konkretisiert.
Im konkreten Fall weigerte sich eine Mutter, eine Ausfallpauschale für zwei Termine ihrer Kinder bei einer Ergotherapie in Höhe von insgesamt 50 € zu bezahlen. Aufgrund von Erkältungssymptomen und in Anbetracht einer möglichen Corona-Infektion eines ihrer Kinder sagte sie am Morgen vor den Terminen - also weniger als 24 Stunden zuvor - die Termine ab. Zu Beginn der Behandlung hatte sie jedoch ein Formular unterzeichnet, in dem stand, dass sie in Bezugnahme auf die gesetzlichen Regelugen eine Ausfallpauschale zu entrichten habe, wenn sie weniger als 24 Stunden vorher absage. Sie weigerte sich jedoch, diese Pauschale zu leisten, und bezog sich auf die seit dem 22.03.2020 geltende Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen. Diese verböten alle körpernahen Dienstleistungen, bei denen ein Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden könne; therapeutische Maßnahmen dürften nur durchgeführt werden, sofern ein ärztliches Attest deren Notwendigkeit bestätige. Ein solches Attest lag für die Kinder der Beklagten aber gerade nicht vor.
Der BGH gab der Beklagten in letzter Instanz recht und wies die Klage ab. Ein Zahlungsanspruch der Ergotherapeutin in Verbindung mit der vereinbarten Ausfallpauschale bestehe nicht. Der BGH begründete seine Annahme damit, dass ein Anspruch voraussetze, dass die Beklagte mit der Annahme der ihr angebotenen Leistung in Verzug geraten wäre. Ein solcher Verzug könne erst dann eintreten, wenn der Ergotherapeutin die Leistungserbringung überhaupt möglich sei. Aufgrund der damalig geltenden Corona-Schutzverordnung sei das jedoch nicht der Fall gewesen.
Hinweis: Im konkreten Fall bestand zwar kein Anspruch auf die Ausfallpauschale - der BGH deutete jedoch an, dass eine solche Pauschale durchaus zulässig sei. Voraussetzung hierfür sei, dass den Patienten ersichtlich werde, dass der Termin eine bindende Vereinbarung beinhalte, die nicht nur internen Organisationszwecken diene, sondern dem Interessensausgleich beider Parteien.
Haftstrafe und Berufsverbot wegen Aufklärungsfehlern mehr...
Der Bundesgerichtshof (BGH) behandelte jüngst zwei tragische Fälle schiefgegangener Schönheitsoperationen. Derartige Schönheitsoperationen sind mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden. Umso wichtiger ist deshalb die Aufklärung potentieller Patienten über Risiken und Alternativen.
Ein Facharzt für Innere Medizin nahm seit 2016 in seiner Praxis überwiegend Eingriffe vor, bei denen Körperfett im Wege des Absaugens entnommen wurde (Liposuktion) und ein Teil der entnommenen Fettzellen anschließend wieder in andere Körperregionen - wie z.B. ins Gesäß - appliziert wurde (Lipotransfer). In den Jahren 2018 sowie 2019 nahm der Arzt Eigenfetttransfers an zwei Frauen vor, die infolge des Eingriffs innerhalb kürzester Zeit verstarben. Als Todesursache wurde Kreislaufversagen festgestellt. Auslöser waren die Kreislaufbelastung nach Entnahme der großen Menge Gewebeflüssigkeit (12,3 L und 6,3 L), der bei der OP erlittene Blutverlust, eine mäßige Reduzierung der Lungenfunktion aufgrund einer Verstopfung der Kapillargefäße sowie in den Blutkreislauf und von dort in die Blutgefäße der Lunge gelangte Fettanteile.
Der Arzt hatte beide Frauen vor dem Eingriff nicht ausreichend über die Risiken der Behandlungen aufgeklärt. Insbesondere wies er nicht darauf hin, dass das Risiko von lebensgefährlichen Komplikationen bei der Entnahme und Zuführung großer Gewebemengen erheblich steige und dass es eine risikoärmere Alternative gebe, indem man die Liposuktion bzw. den Lipotransfer auf mehrere Eingriffe verteilt. Beide Geschädigten hätten bei Kenntnis über die tatsächlichen Risiken nicht in die Eingriffe eingewilligt.
Das Landgericht Düsseldorf (LG) verurteilte den Arzt deshalb wegen Körperverletzung mit Todesfolge in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zu einem vierjährigen Berufsverbot. Außerdem zog das LG das dem Arzt gezahlte Honorar von 26.000 € ein.
Der BGH wies die Revision des Beklagten als unbegründet zurück - lediglich die Einziehung des Honorars hob er mit der Begründung auf, die Honorare seien nicht „durch“ die rechtswidrige Tat erlangt worden. Die Patientinnen hatten das Honorar in Erwartung einer rechtmäßigen Behandlung gezahlt. Zudem sei auch der Arzt nicht davon ausgegangen, das Honorar für eine rechtswidrige Tat zu erhalten.
Hinweis: Als Schönheitschirurg sind Sie dazu angehalten, offen über alle mit der Operation verbundene Risiken aufzuklären. Im Gegensatz zu medizinisch indizierten Eingriffen liegt eine gesteigerte Aufklärungspflicht vor, da der notwendigen Verletzung kein medizinischer Vorteil gegenübersteht.
Gemeinschaftspraxis wehrt sich erfolgreich gegen unzulässigen Verbandskostenregress mehr...
Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) konkretisierte in seiner aktuellen Entscheidung den Grundsatz des Vorrangs der Richtgrößenprüfung.
Eine chirurgisch tätige Gemeinschaftspraxis behandelte eine multimorbide ältere Patientin mit einem offenen Bein und extremem Lymphödemen. Die Behandlung hatte insbesondere hohe Verbandskosten zur Folge - unter anderem für silberhaltige Feuchtverbände und elastische Binden. Die gesetzliche Krankenkasse leitete daraufhin ein Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren vor dem Prüfgremium ein. Das Prüfgremium leitete eine Einzelfallprüfung ein und ordnete wegen Unwirtschaftlichkeit einen Verbandskostenregress von ca. 30.000 € an. Es begründete den Regress mit der nicht nachvollziehbaren Höhe der Ausgaben. Die behandelnden Ärzte klagten vor dem LSG - mit Erfolg.
Das LSG begründete seine Entscheidung mit dem Grundsatz des Vorrangs der Richtgrößenprüfung. Demnach steht einer Einzelfallprüfung der Wirtschaftlichkeit der Vorrang der Richtgrößenprüfung entgegen. Das Prüfgremium habe also eine Einzelfallprüfung durchgeführt, ohne zuvor eine Richtgrößenprüfung angesetzt zu haben. Eine solche Richtgrößenprüfung sei aber zwingend vorrangig. Dies gelte auch dann, wenn bei dem betroffenen Vertragsarzt keine Richtgrößenprüfung durchgeführt wurde. Die vom Gesetzgeber zum Schutz des Vertragsarztes vorgesehene Toleranzgrenze für sein gesamtes Verordnungsvolumen würde unterlaufen, wenn es den Prüfgremien frei überlassen wäre, anstelle der Richtgrößenprüfung Einzelfallprüfungen durchzuführen.
Niedergelassene Ärzte müssen demnach bei einzelnen teuren Behandlungen keine Angst vor Kürzungen der Verbandskosten haben. Erst wenn der Arzt die Gesamtverordnungskosten der Richtgrößengrenze um ca. 15 % überschreitet, kann es zu Kürzungen kommen. Die Richtgrößengrenzen sind in den Heilmittel-Richtgrößenvereinbarungen der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung festgelegt.
Hinweis: Sollte ein Arzt doch einmal auffällig geworden sein, kann er eine Überschreitung unter anderem durch Praxisbesonderheiten rechtfertigen. Dem kann jedoch durch hinreichende Dokumentation und sich ergebende Vergleiche, warum ein bestimmtes Verbandsmittel erforderlich ist, vorgebeugt werden.
Angebliche Implausibilität wegen auffälliger Quartalszeitprofile mehr...
Eine Ärztin wehrte sich erfolgreich gegen eine Implausibilitätsprüfung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Allein wegen der Überschreitung der Quartalszeitfonds dürfe nicht von einer Falschabrechnung ausgegangen werden, so das Urteil des Sozialgerichts Dresden (SG).
Im zugrunde liegenden Fall ist die Klägerin eine Fachärztin für Neurologie sowie Psychiatrie und Psychotherapie, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt. Wegen auffälliger Quartalszeitprofile veranlasste die KV eine Prüfung der in den Quartalen 03/2012 bis 04/2014 erbrachten Leistungen. Die KV stellte der Ärztin daraufhin eine Honorarrückforderung von über 200.000 €.
Die dagegen gerichtete Klage der Ärztin beim SG hatte Erfolg. Das Gericht führte aus, dass die KV den Nachweis der Unrichtigkeit der vertragsärztlichen Abrechnung nicht allein darauf stützen könne, dass die zusammengerechneten Prüfzeiten in der Summe der Arbeitszeit die Grenze von 780 Stunden im Quartal überschreiten. Es reiche für eine Implausibilität nicht aus, wenn die Zusammenrechnung der Prüfzeiten von ärztlichen Leistungen eine überhöhte Quartalsprofilzeit ergebe, solange die Prüfzeiten nicht die Mindestkontaktdauer im Sinne eines obligatorischen Leistungsinhalts abbilden. Nur wenn auch die Zusammenrechnung von Mindestkontaktzeiten eine Überschreitung des Quartalszeitgrenze ergebe, sei eine Implausibiliät der Abrechnung belegt und eine Honorarkürzung berechtigt. Es müsse also nachgewiesen werden, dass die Prüfzeiten den notwendigen Zeitaufwand für die Erbringung der Leistung darstellen.
Hinweis: Ob sich die - argumentativ gut nachvollziehbare - Entscheidung auch in folgenden Streitfällen durchsetzen wird, ist noch abzuwarten, da die Revision beim Landessozialgericht Chemnitz anhängig ist.
Transport zur Dialyse stellt keine ärztliche Leistung dar mehr...
Das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) befasste sich jüngst mit der Frage, ob eine private Krankenversicherung auch die Transportkosten zu einer mehrmals die Woche anfallenden Dialysebehandlung tragen muss.
Die Patientin musste im Zuge einer Blutwäsche in einem Zeitraum von zehn Monaten drei Mal die Woche zur Dialysestation. Aufgrund ihres Gesundheitszustands war ein Transport zu diesen Behandlungen notwendig. Insgesamt entstanden dadurch Kosten von rund 4.300 €. In der Folge stritten Patientin und Krankenversicherung, wer die Kosten für die Transporte zu tragen habe. In den Versicherungsbedingungen ist geregelt, dass die „Aufwendungen für medizinisch notwendige Transportkosten im unmittelbaren Zusammenhang mit einer ambulanten Operation“ übernommen werden. Ebenso seien „stationäre Heilbehandlungen, deren Aufwendung für medizinisch notwendige Transport zum oder vom Krankenhaus“ erstattungsfähig.
Die Gerichte mussten sich nun mit der Frage befassen, ob es sich bei den regelmäßig angesetzten Dialysebehandlungen um „ambulante Operationen“ oder eine „stationäre Heilbehandlung“ handelte, die von der Krankenversicherung erstattungsfähig sind. Während das Landgericht noch von einem teilstationären Charakter der Dialysebehandlung ausging und der Klage somit stattgab, sah das OLG die Berufung der Krankenversicherung als begründet an. Es erklärte die Transportkosten für nicht erstattungsfähig. Das Gericht bezog sich auf die Versicherungsbedingungen der Krankenversicherung, die auch für den durchschnittlich verständigen Bürger verständlich seien. Eine Dialysebehandlung in einer Gemeinschaftspraxis niedergelassener Ärzte sei weder eine „ambulante Operation“ noch eine „stationäre Heilbehandlung“. Insbesondere stelle das Legen des Zugangs von den Schläuchen des Dialysegeräts keinen operativen Eingriff dar. Das Gericht erkannte auch keine unangemessene Benachteiligung der Patientin. Sie bleibe grundsätzlich krankenversichert, der Transport stelle jedoch keine ärztliche Leistung dar.
Wann sich eine Praxis mit einer beteiligten Ärztin „Zentrum“ nennen darf mehr...
Das Landesberufsgericht für Ärzte (LBGÄ) in Stuttgart hat sich jüngst mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen eine Einzelpraxis als „Zentrum“ beworben werden darf und wann im Gegenzug eine berufsrechtswidrige Heilmittelwerbung vorliegt.
Geklagt hatte eine auf Neurochirurgie spezialisierte Ärztin mit Einzelpraxis. Sie ist auf die Behandlung von Beschwerden der Wirbelsäule spezialisiert und führte jährlich zwischen 200 und 260 Operationen durch - überwiegend zur Behandlung von Bandscheibenvorfällen und Stenose - sowie etwa 25 spezielle OPs des Iliosakralgelenks. Die Ärztin ist in ihrer Region die Einzige, die diese Behandlung anbietet. Diagnose und Nachversorgung der Patienten erfolgen (auch bei stationären Operationen) durch die Ärztin. Ihre Praxis bewirbt sie mit dem Begriff „Wirbelsäulenzentrum“. Die Bezirksärztekammer wies die Ärztin im Folgenden darauf hin, dass die Bezeichnung als Zentrum die Beteiligung von mindestens zwei Ärzten voraussetze und verbot ihr im Anschluss die Bewerbung ihrer Praxis als „Wirbelsäulenzentrum“.
Sowohl Bezirksberufsgericht als auch das LBGÄ gaben der Ärztin jedoch recht. Die Gerichte begründeten die Entscheidung damit, dass sich der Begriff eines Zentrums im Sprachgebrauch durch die Jahre gewandelt habe. Es komme daher nicht nur auf die Größe der Praxis an, sondern darauf, ob eine Spezialisierung vorliege, die eine eigene medizinische Fachrichtung oder Facharztbezeichnung, einen Ort der Konzentration oder von besonderer Bedeutung darstelle. Die Gerichte verwiesen auf eine Vielzahl von Einzelpraxen in verschiedenen Bundesländern, die sich bereits als Zentren bezeichneten. Die Praxis der Ärztin stelle eine zentrale Einrichtung zur Behandlung von Wirbelsäulen dar und hat insoweit eine besondere Bedeutung für die Versorgung. Auch die Außendarstellung der Einrichtung vermittelt nicht den Eindruck, dass in dem Zentrum mehrere Ärzte tätig seien.
Hinweis: Entscheidend für die Frage, ob eine Einzelpraxis sich als Zentrum beschreiben darf, sind die von ihr angebotenen, gebündelten Kompetenzen sowie die regionale Bedeutung für die Versorgung der Patienten. Maßgeblich ist jedoch immer die Betrachtung des Einzelfalls - grundsätzlich bleibt die Verwendung des Begriffs „Zentrum“ Ausnahmefällen vorbehalten.